#12 Diwali
von Jenny und Pati | 15 Nov 2023
Am 12. November wird in Indien Diwali, das Fest der Lichter, gefeiert. Es ist der wichtigste Indische Feiertag und markiert gleichzeitig den Beginn des neuen Jahres im hinduistischen Kalender, der jetzt das Jahr 2080 schreibt. Gefeiert wird das Fest 20 Tage nach Dusshera. Es wird erzählt, dass Lord Rama an diesem Tag nach einer 20tägigen Reise von Sri Lanka nach Agra zurückgekehrt ist und das Gute über das Böse gesiegt hat.
Wir starten unseren Diwali-Morgen im Airtel-Store, da unsere Indischen SIM-Karten unerwarteterweise vier Tage zu früh abgelaufen sind. Leider kann man unsere aktuellen Karten auch nicht mehr reaktivieren, daher müssen wir uns eine neue kaufen. Nach dem Bezahlen verabschieden wir uns vom Verkäufer und wünschen ihm noch Happy Diwali, woraufhin er hinter seinem Tresen verschwindet und gleich darauf mit einer Schachtel wiederkommt. Er wünscht uns ebenfalls Happy Diwali und wir dürfen uns eine Süßigkeit nehmen.
Den Vormittag verbringen wir am Strand, mittags essen wir noch einmal eins unserer Lieblingsgerichte in Goa, Gobi 65 (Blumenkohl in Teig und Soße) und Veg Fried Rice. Das Restaurant ist bunt geschmückt mit Diwali-Lampions und Rangoli, das sind Blumenzeichnungen am Boden, die mit buntem Sand gefüllt werden. Danach machen wir uns auf den Weg zum Flughafen. Dieser ist ebenfalls geschmückt und man spürt die festliche Stimmung. Sogar der Militärstützpunkt ist mit Diwali-Lichtern und Lampions erleuchtet und die Männer rufen uns freundlich Happy Diwali zu.
Während unserem Flug können wir über das ganze Land immer wieder Feuerwerke beobachten. Als wir am Abend in Chennai landen, ist auch dort der Flughafen festlich geschmückt und von außen bunt beleuchtet. Unser TukTuk-Fahrer erzählt uns, dass er Muslim ist und heute arbeiten muss. Eigentlich feiert er aber jedes Jahr mit seinen hinduistischen und christlichen Freunden Diwali. Umgekehrt feiern diese mit ihm Ramadan und die gesamte Freundesgruppe feiert auch Weihnachten. „We‘re all the same. Our beliefs don’t separate us, they connect us“, sagt er. Wir finden das einen sehr schönen Gedanken. Leider wird das in Österreich ja oft genau anders herum gesehen…
Nach einer Nacht im Hotel werden wir von Jatik und seiner Frau Sharmi (die wir über Couchsurfing kennengelernt haben) abgeholt. Wir dürfen mit ihnen und ihrer Familie gemeinsam den letzten Tag von Diwali feiern. Bei ihnen angekommen, empfängt uns die Familie herzlich. Wir kommen gerade rechtzeitig, um an einer Zeremonie, die am Schrein des Hauses stattfindet, teilzunehmen und werden miteingebunden.
Während der gesamten Zeremonie wird mit einer großen Glocke in regelmäßigem Takt geläutet. Gegen Ende werden wir aufgefordert, diesen Part zu übernehmen, während der Rest der Familie Blütenblätter erhält. Diese werden mit beiden Händen gehalten, die Augen werden geschlossen und jede Person dreht sich damit drei Mal im Kreis und spricht ein Gebet. Danach werden die Blüten am Schrein geopfert. Auch wir bekommen im Anschluss noch Blütenblätter und folgen dem Beispiel der Familie. Zum Schluss wird noch Honigwasser zur Segnung ausgeteilt, wobei man davon einen Schluck trinkt und den Rest mit beiden Händen über den Kopf gießt.
Bevor es dann im Anschluss Mittagessen gibt, wird von jedem Gericht ein kleiner Teil den Raben geopfert. Erst wenn die Raben das Essen aufgegessen haben, isst die Familie. Es ist ein Ritual, das jeden Monat bei Neumond und einen Tag nach Diwali durchgeführt wird. Jatin’s Mama erzählt uns, dass das Essen deshalb den Raben geopfert wird, weil im Hinduismus zum Teil angenommen wird, dass alle Menschen als Raben wiedergeboren werden.
An diesem Tag wird das Essen auch nicht, wie sonst, auf einem Teller serviert, sondern auf einem Bananenblatt. Das Blatt soll dem Essen viele wichtige Nährstoffe zusetzen und daher besonders gesund sein. Besteck gibt es gar keines, dafür unzählige verschiedene Speisen, von denen wir den Namen nicht kennen und nur grob beschreiben können: Reis mit Linsen, Gemüse, zwei Kartoffelvarianten, Bohnen, Auberginen, Drumstick, Donut Vada, süße Bällchen, süße Reispfannkuchen, und spezielle Chips als Nachspeise noch sowas wie Vanillesauce mit Nudeln. Alles schmeckt köstlich. Zum ersten Mal seit wir in Indien sind, essen wir mit der Hand. Am Anfang sind wir richtig überfordert, doch unter ständiger Beobachtung und Anleitung der gesamten Familie klappt es schließlich ganz gut.
Am Nachmittag dürfen wir uns das sehr noble und große Haus von Jatin’s Familie anschauen. Er erzählt uns, dass hier im Süden Indiens Navratri (die neun Feiertage vor Dusshera) als Fest der Puppen gefeiert wird. Da seine Familie sehr kreativ ist, haben sie verschiedene Puppen und riesige Puppenhäuser selbst gebaut, welche die Geschichte von Lord Rama ausführlich erzählen. Wir bekommen sogar eine Vorführung der selbst gebauten Brunnenshow auf der Terrasse. Danach trinken wir noch Chai und unterhalten uns mit Jatin und seinen Eltern. Auch seine Schwiegereltern kommen kurz vorbei um das Haus und deren Bewohner zu segnen.
Als es dunkel wird gehen wir nach draußen. Es ist Zeit für Sternspritzer, Böller und Feuerwerk – auf Indische Art. Das ganze Spektakel wird auf der engen Gasse vor dem Haus ausgetragen. Der Bruder von Jatin’s Frau, ihr Cousin und Jatin’s Vater zünden abwechselnd kleinere Raketen, Böller und Vulkane. Es ist eine Mischung aus schön, abenteuerlich, gefährlich, unverantwortlich, absurd und lustig.
Danach spielen wir noch eine Runde Bingo mit der gesamten Familie. Alle sind mit größter Begeisterung dabei und es herrscht absolutes Chaos. Wir gewinnen mehrere Runden hintereinander und bekommen sogar einen Preis.
Später beginnt es zu regnen. Mit Jatin, seiner Schwester, Sharmi, ihrem Bruder Sharath und ihrem Cousin Abishek gehen wir anschließend noch South Indian essen. Es gibt Dosa und es schmeckt wieder einmal köstlich. Am Abend essen wir sogar schon etwas selbstsicherer mit der Hand, sorgen aber dennoch immer wieder für Lacher bei unseren neuen Freunden. Wir probieren danach noch South Indian Coffee und im Anschluss bringen uns die fünf nach Hause. Nach diesem aufregenden Tag fallen wir todmüde ins Bett, können aber nicht schlafen, da uns die vielen Erlebnisse und Eindrücke vom Tag noch lange wachhalten.