#9 Mumbai 1.0
von Jenny und Pati | 06 Nov 2023
Von Varanasi fliegen wir nach Mumbai, Maharashtra. Im Landeanflug können wir die Stadt bereits von oben sehen und stellen schockiert fest, dass eine riesige Fläche, 24% der Gesamtfläche Mumbai’s wie wir später lernen, aus Slums besteht.
Am Flughafen angekommen nehmen wir uns ein Uber und merken sofort, dass wir in der teuersten Stadt Indiens gelandet sind. Für 1,5 Stunden Fahrt zahlen wir umgerechnet 10 Euro (im Gegensatz dazu haben wir in Delhi dafür nur knapp 4 Euro bezahlt). Anfangs hatten wir etwas Angst, Mumbai zu besuchen, da Mumbai nach Neu Delhi die nächstgrößte Stadt ist und wir uns ähnliches Chaos vorgestellt hatten.
Doch bereits bei der Fahrt vom Flughafen zu unserem ersten Couchsurfing-Host in Indien werden wir eines besseren belehrt. Die Straßen machen einen sauberen und, für indische Verhältnisse, einen sehr geordneten Eindruck. Um 20.00 Uhr kommen wir in Mulund an, einem Vorort von Mumbai, wo wir die nächsten Tage unterkommen werden. Wir finden sogar beinah auf Anhieb den richtigen Hauseingang, wo wir von Nimit und Foram herzlich in Empfang genommen werden. Die beiden sind selbst viel auf Reisen. Wenn sie zu Hause sind, hosten sie Reisende. Bei ihnen ist immer etwas los. Eine junge Frau aus Honduras reist gerade ab, als wir zur Tür hereinkommen. Wir bekommen ein eigenes Zimmer mit Klimaanlage im 6. Stock.
An unserem ersten richtigen Tag in Mumbai kaufen wir uns Toast und Marmelade und frühstücken, wie wir es Zuhause auch tun würden. Danach nehmen wir den Zug von Mulund zum zentralen Bahnhof von Mumbai, Chhatrapati Shivaji Maharaj Terminus, kurz CSMT. Wir scheitern schon am Ticketkauf – und weil wir vermutlich ziemlich verloren aussehen, hilft uns sofort ein junger Mann, Kartik. Er wählt unsere Tickets aus und bezahlt sie sogar. Zufällig nimmt er den gleichen Zug, deshalb fahren wir ein Stück gemeinsam.
Beim Einsteigen in den Zug muss man aufpassen, weil es ein Ladies und ein Gents Compartment gibt. Im Ladies-Compartment sind keine Männer erlaubt, im Gents-Compartment dürfen Frauen und Männer aber gleichermaßen mitfahren. Die Mumbai Local Trains haben zwar prinzipiell Türen und Fenster, allerdings sind diese immer offen – auch während der Fahrt. Das sorgt für angenehmen Fahrtwind, bei einer Außentemperatur von 38 Grad.
Nimit hat uns am Abend zuvor eine Art Guide für unseren ersten Tag in Mumbai gegeben, dem wir nun versuchen zu folgen. Wir steigen am CSMT aus, biegen nach rechts ab und kommen durch eine Unterführung direkt in die Mitte der Straße vor dem Bahnhof, wo es eigenartigerweise einen Selfie-Point gibt. Wir machen also ein Foto und gehen dann weiter zum Aram Vada Pav, dem offenbar besten Straßenstand für Mumbai-Burger. Weil wir in Indien sind, sind die Burger dort alle vegetarisch. Wir essen für gerade mal 20 Cent pro Stück einen der besten Burger unseres Lebens.
Danach versuchen wir das Gateway of India zu finden und verlaufen ins in den Straßen Mumbai’s. Es ist unglaublich heiß und wir bleiben bei einem weiteren Stand an der Straße hängen, der Rohrzuckersaft verkauft. Nimit hat uns empfohlen, Mumbai Sugar Cane Juice unbedingt zu probieren, da es hier als traditionelles Getränk gilt. Hier wird es an der Straße aus Rohrzuckerstangen frisch gepresst. Es schmeckt vor allem süß und ist genau das richtige bei diesem heißen Wetter.
Irgendwann finden wir auch das Gateway of India, wo wir uns allerdings nicht lange aufhalten, weil wir abermals von hunderten Indern umzingelt werden, die alle ein Foto mit oder von uns machen wollen. Dafür ist es heute schlichtweg zu heiß. Wir befolgen Nimit’s Guide und landen im Taj Mahal Palace, einem Hotel in Mumbai. Das Hotel hat eine spannende Geschichte: Während der britischen Besetzung des Landes wurden viele Hotels und Clubs gebaut. In allen galt die Regel „Dogs and Indians not allowed“. Gelegentlich wurden Hunde sogar geduldet, einheimische Inder jedoch nie. Nach Abreise der Briten wurde deshalb das 5-Sterne-Hotel Taj Mahal Palace gebaut – unter der Prämisse, dass jeder uneingeschränkten Zugang zum Hotel zu jeder Tages- und Nachtzeit erhält. Nimit und Foram erzählen uns, dass das Hotel auch heute noch ein Freiheitssymbol für Indien darstellt. Wir spazieren durch die sehr noble Hotellobby, benutzen die sehr noble Toilettenanlage und gehen dann wieder.
Auf dem Weg zum Nariman Point spricht uns ein Einheimischer auf der Straße an und möchte wissen, woher wir kommen, wie wir heißen und wohin wir gehen. Er begleitet uns ein Stück und lädt uns schließlich noch auf einen Chai Tee am Straßenrand ein. Beim Tee-trinken treffen wir noch einen weiteren Reisenden, Felipe aus Chile, den unser indischer Freund ebenso gleich zum Tee einlädt.
Am Abend kocht Foram für uns: Dal mit Reis, extra wenig scharf für uns. Essen ist in Mumbai ein wahres Spektakel. Wir starten um 18.30 Uhr mit Whisky Soda, blauem Jasmintee mit Limette im Weinglas und dazu gedünstete grüne Erbsen mit Knoblauch – oder green peas garlic butter fry, wie es hier genannt wird. Danach gibt es einen exotischen Salat, dann Cracker, Cornflakes und eine Art scharf gewürztes Gemüse in Teigtaschen. Anschließend folgt ein zweiter, anderer Salat. Zu diesem Zeitpunkt sind wir bereits satt. Um 22.00 Uhr gibt es dann noch Dal Rice. Alles schmeckt wirklich ausgezeichnet. Während dem Essen erfahren wir viel über das indische Kastensystem, die Glaubensrichtung Jainismus und Transgender in Indien. Als wir auf das Thema Heirat kommen, erklärt uns Nimit, dass in Indien „first you get married, then you fall in love” gilt. Er fügt dann glücklich hinzu “and it works!” – und wir können es den beiden ansehen.