#38 Quer durch Rajasthan
von Jenny & Pati | 22 Oct 2024
Unsere Reise durch Rajasthan geht weiter: Früh morgens werden wir in Pushkar von einem Taxi abgeholt, das uns zum Bahnhof bringt. Nachdem wir den Kulturschock immer noch nicht ganz überwunden haben, haben wir schon ziemlichen Respekt davor wieder in eine andere indische Stadt zu reisen. Wir haben keine Ahnung wie groß und busy Udaipur sein wird. Mit dem Zug fahren wir von Pushkar (Ajmer) nach Udaipur. Dieses Mal sitzen wir wieder in einer besseren Zugklasse und haben zwei Plätze ganz für uns allein. Der Wagon ist dieses Mal auch klimatisiert, hat Fensterscheiben und Türen - so weit, so gut.
Udaipur, die weiße Stadt
In Udaipur angekommen stellen wir fest, dass schon der Bahnhof überhaupt nicht stressig ist. Die Taxifahrer sind hier bereits viel weniger aufdringlich als noch in Delhi oder Jaipur. Wir nehmen uns ein TukTuk zu unserem Hostel im Zentrum von Udaipur. Mitten in der Altstadt ist schon einiges los.
Udaipur liegt inmitten von drei Seen, die durch Flüsse verbunden sind. Die Stadt ist sozusagen von allen Seiten von Wasser umgeben. Es ist wirklich nett hier: Brücken verbinden die Teile der Stadt miteinander und von der Altstadt aus, wo wir wohnen, gehen wir nur 3 Minuten zu Fuß bis auf die Insel. Die Insel ist keine wirkliche Insel, sondern ein kleiner Stadtteil von Udaipur mit extrem schmalen Gassen (sogar für Indische Verhältnisse). Deshalb fahren hier kaum noch Autos und TukTuks und nur wenige Mopeds sind unterwegs - sehr entspannt und beinahe Insel-Feeling.
Für’s Mittagessen finden wir ein nettes kleines Lokal direkt am Fluss. Dort essen wir Thali - ein Gericht, das aus mehreren verschiedenen Currys, Reis und Chapati (eine Art Fladenbrot) besteht. Es ist unglaublich lecker und wir wissen sofort, dass wir hier öfter herkommen werden.
Am Nachmittag schlendern wir durch die Gassen Udaipur’s (ja, wirklich schlendern … wir können es selbst kaum glauben, dass das in Indien möglich ist). Udaipur ist bekannt für Miniaturmalerei und Kunst im Allgemeinen. Wir treffen nachmittags endlos viele Menschen, die uns ihre Kunstgalerien zeigen wollen und verbringen so viele Stunden beim Kunstgalerie-Hopping. Abends sind wir vom vielen Smalltalk dann völlig erschöpft. Wir essen gleich noch einmal beim Inder unseres Vertrauens am Fluss und lassen den Abend dann auf der Dachterrasse des Hostels ausklingen.
Am nächsten Morgen gehen wir zum Yoga. Vom Hostel aus wird es auf der Dachterrasse angeboten und wir hoffen, dort vielleicht ein paar andere Reisende zu treffen. Wir werden nicht enttäuscht: gleich vier Deutsche sind beim Yoga dabei. Im Anschluss gehen wir alle gemeinsam frühstücken. Zwei von ihnen reisen noch am selben Tag wieder ab, aber mit den anderen beiden, Loni und Jona, verbringen wir den ganzen Tag. Gemeinsam sehen wir uns den City Palace an, gehen essen und sogar ins Tattoostudio. Der Tätowierer, Abi, lädt uns ein, am nächsten Morgen mit ihm zu seinem Lieblingsplatz zu kommen. Diese Einladung können wir natürlich nicht ausschlagen.
Jona muss am folgenden Tag leider schon wieder abreisen. Zu dritt machen wir uns deshalb auf den Weg zu Abi, der mit uns in die umliegenden Berge von Udaipur fährt. Fern von jeglicher Zivilisation - nur ein paar Bauern sind dort noch unterwegs - genießen wir die Ruhe. Seit nun fast schon zwei Wochen hören wir zum ersten Mal keine Hupen, Glocken, Autos, Tuktuks, Mopeds, Hunde oder ähnliches.
Im Anschluss fahren wir mit Abi noch zu einem netten Café - Loni will unbedingt guten Cappuccino trinken, was in Indien nicht immer ganz so leicht zu finden ist. Dank Abi ist die Mission jedoch erfolgreich. Danach geht’s noch zu McDonalds. Beim letzten Mal in Goa hatten wir nämlich den besten Burger, den Maharaja Mac Veg. Zum Glück gibt es genau diesen Burger hier auch wieder - sooo lecker!
Udaipur war ein sehr entspannter Stopp unserer Reise und wir glauben, den Kulturschock jetzt wieder überwunden zu haben. Mit neuer Energie geht es nun weiter nach Jodhpur mit dem Bus. Loni kommt mit uns.
Jodhpur, die blaue Stadt
Nach dem Frühstück machen wir uns auf den Weg zur Bushaltestelle. Wir fahren nach Jodhpur - dieses Mal allerdings mit dem Bus. Überpünktlich geht es also in Udaipur los. Wir sitzen alle drei in der letzten Reihe. Der Bus ist sehr geräumig und wir machen es uns bequem. Allerdings vergessen wir nicht lange, dass wir doch in Indien sind. Es geht über Stock und Stein, der Verkehr ist dicht und verrückt und sogar auf der Autobahn sind Schlaglöcher. Loni wird von uns also gleich mit einem Reisekaugummi (gegen Übelkeit) ausgestattet.
Es geht trotzdem einige Stunden ganz gut voran. Dann wird die Straße immer schmäler und holpriger. Wir überqueren sogar einen Pass. Dann machen wir endlich eine kurze Pause. Jenny und Loni sind heilfroh kurz aussteigen zu dürfen. Nach 10 Minuten Verschnaufpause geht es aber auch schon weiter. Wir fahren noch eine Weile durch sehr schmale Gassen quer durch winzige Dörfer mitten im Nirgendwo. Die Straßen sind großteils nicht asphaltiert und einspurig. Das heißt, wir verbringen sehr viel Zeit damit durch Löcher zu fahren, auf Mopeds, Hunde, Kühe und Rikschas im Gegenverkehr zu warten und um noch größere Löcher herumzufahren. Dann - endlich - kommen wir wieder auf etwas bessere Straßen und nähern uns Jodhpur.
In Jodhpur angekommen beziehen wir dann alle im selben Guesthouse unsere Zimmer. Auf der Dachterrasse essen wir noch ein super leckeres Thali, dann fallen wir - erledigt von der Fahrt - ins Bett. Wir sehen später, dass der Schrittzähler auf Jenny’s Handy den ganzen Tag aktiv war. Während der Busfahrt wurden über 8000 Schritte aufgezeichnet - man kann sich also denken wie Indiens Straßenverhältnisse aussehen.
Unseren nächsten Tag starten wir ganz gemütlich wieder auf der Dachterrasse. Die Besitzerin des Gästehauses zeigt uns von der Terrasse aus, was man hier in der Gegend alles machen kann. Alles ist fußläufig ganz einfach zu erreichen.
Wir machen uns also auf den Weg und erkunden die Altstadt. Wir betrachten den Clocktower, einen Uhrturm der mitten in einem Kreisverkehr steht und schlendern durch die vielen Gassen mit Marktständen. Mittags finden wir zufällig ein kleines Café - eher eine Mischung aus Café, Teahouse, Restaurant und Geschäft mit fünf Hockern und das alles auf einer Fläche von 5 Quadratmetern. Die Besitzerin erzählt uns, dass sie den kleinen Laden erst vor drei Tagen eröffnet hat und dass sie vorher nur selbstgenähte Kleidung von fünf alleinerziehenden Müttern verkauft hat.
Sanju selbst ist Teil einer Organisation, die sich für die Rechte der Frauen in Rajasthan engagieren. Dabei erfahren wir sehr schlimme Geschichten wie Frauen hier in Rajasthan behandelt werden - wirklich furchtbar.
Sanju erzählt uns, dass Kinder hier häufig zur Arbeit geschickt werden. Und von dem Geld, das sie nach Hause bringen, trinken dann die Väter (weil sie sonst den ganzen Tag nichts anderes zu tun haben - die Kinder arbeiten ja und Haushalt wird nicht von Männern gemacht). Frauen und Kinder werden regelmäßig geschlagen - wir können Sanju’s Narben ganz offensichtlich sehen. Und weil das Geld, das Kinder für die Familie häufig erwirtschaften, von Männern versoffen wird, gehen deren Frauen letztendlich häufig in die Prostitution - offensichtliches, öffentliches Arbeiten gegen Bezahlung dürfen verheiratete Frauen in Rajasthan nämlich nicht.
Uns fällt auf, dass wir noch keine einzige Frau bei irgendeinem Kauf gesehen haben (abgesehen von der unverheirateten Sanju). Geld wird immer von Männern verwaltet. Wir essen eine Kleinigkeit, trinken Chai und versuchen die wilden Geschichten zu verdauen. Später sehen wir uns noch das Stepwell - siehe Foto - an. Dann gehen wir erneut zu unserem neuen Stammlokal und trinken Tee.
Über Jodhpur thront das Mehrangarh Fort, eine riesige rote Burg. Am Abend sehen wir uns vom Fort aus den Sonnenuntergang an. Danach essen wir noch einmal Thali auf der Terrasse unserer Unterkunft. Heute ist wieder Dusshera - ein Fest das wir bereits bei unserem letzten Indienbesuch in Jaipur erleben durften. Wir erkundigen uns bei der Besitzerin unserer Unterkunft, wann und wo denn heute gefeiert wird. Sie erklärt uns, dass vor dem Clocktower um acht Uhr wieder die Statuen aus Papier verbrannt werden. Da es bereits kurz vor acht ist, düsen wir schnell durch die Gassen hinunter und erreichen gerade rechtzeitig noch die Feierlichkeiten.
An unserem zweiten Tag brechen wir gleich am Morgen auf, um uns die Burg und den Tempel gleich hinter unserer Unterkunft anzusehen. Das Fort ist gigantisch und wir verbringen mit Audioguide fast zwei Stunden im Burg-Museum und lernen allerhand Geschichtliches - hauptsächlich geht es um die Maharajas, deren vielen Frauen (also Sex), um Opium und um Krieg. Wir machen auch ein Foto mit drei Frauen, die sich ebenso die Burg ansehen. Dann essen wir im Burgcafé Samosas, um uns für den Tempel zu stärken. Diesen erreichen wir ebenso zu Fuß, verbringen dort aber lange nicht so viel Zeit wie im Museum.
Nachmittags will Loni noch eine Shoppingtour machen. Wir kommen mit und genießen richtig, dass alle Aufmerksamkeit auf sie fällt. Es ist schon irgendwie verrückt: Normalerweise bekommt Pati immer viel Aufmerksamkeit wegen seiner weißen Haut und den langen Haaren. Blonde Haare, wie die von Loni, ziehen aber nochmal deutlich mehr Augen auf sich. Loni kauft Chai-Pulver, Taschen, Jacken, Teppiche und und und… Wir wissen am Ende gar nicht mehr wie sie das alles tragen soll, schaffen es aber dann doch ihre Einkäufe in ihren Rucksack zu stopfen.
Dann ist es an der Zeit Abschied zu nehmen. Loni hat uns die letzten fünf Tage begleitet und es fühlt sich an, als würden wir uns schon ewig kennen. Sie will sich gerne noch das Taj Mahal ansehen, bevor sie in Rishikesh eine Yogaausbildung macht. Daher fährt sie heute noch nach Agra. Wir trinken noch einen letzten Chai bei unserem Stammlokal, dann muss sie auch schon los. Als wir später zurück zu unserer Unterkunft gehen, kommen wir an einer Gruppe Männer vorbei. Sie lächeln uns an, aber nur kurz, da sie sehr beschäftigt Kartenspielen. Sie sitzen zu viert auf einem Karton auf dem Boden mitten in einer dunklen Gasse - ach Indien :D .
Auch für uns geht es bald wieder weiter - allerdings erst morgen und in die andere Richtung. Unser Weg durch Rajasthan führt uns weiter in Richtung Wüste.
Wir lassen uns also am nächsten Nachmittag vom erstbesten TukTuk zur Bushaltestelle bringen. Schon beim Losfahren wird uns der Weg von einem kleinen LKW versperrt. Die LKW-Fahrer winken den TukTuk-Fahrer allerdings weiter vorbei. Wir denken uns schon, dass das jetzt knapp werden könnte. Dann streifen wir einmal links beim LKW und einmal rechts bei der Mauer und weiter gehts.
Als wir dann anscheinend ankommen - die Location stimmt nicht ganz mit der überein, die wir online bekommen haben - sehen wir in einer Seitengasse einen Bus nach dem anderen. Wir wollen schon aussteigen und den Fahrer bezahlen, aber dieser meint, wir sollen den Busfahrern, die an der Straße auf ihre Kunden warten, zuerst unser Ticket zeigen. Natürlich sind wir hier falsch, also wieder zurück ins TukTuk. Der Fahrer lässt sich noch schnell den Weg erklären und bringt uns dann zum richtigen Bus. Auf den war Verlass. Wir steigen in den richtigen Bus ein und haben noch ausreichend Zeit bis zur Abfahrt.
Bevor es los geht wollen wir doch nochmal schnell eine Toilette suchen, der Bus fährt schließlich viereinhalb Stunden durch. Wir steigen aus und fragen, ob es hier eine öffentliche Toilette gibt. Ein Fahrgast meint, wir sollen einfach in eins der Hotels um die Ecke gehen, die lassen uns bestimmt kurz rein. Also los, wir haben noch 15 Minuten bis zur Abfahrt.
Im ersten Hotel ist nur eine Frau, die kaum Englisch spricht, aber mit Händen und Füßen können wir erklären was wir wollen. Sie lässt uns in einem ihrer Hotelzimmer die Toilette benutzen - ein separates WC außerhalb der Gästezimmer gibt es hier in Indien fast nirgendwo. Dankend machen wir uns kurz darauf wieder auf den Weg zurück zum Bus und wollen schon losrennen, als die Frau uns noch etwas hinterher ruft und uns noch ein kleines Päckchen Kekse schenkt. Jetzt aber wirklich zurück in den Bus. Wir steigen und und dann geht es auch schon los.
Rajasthans Wüstenstadt Jaisalmer
Unterwegs gibt es dann doch eine 30 Sekunden Pinkelpause für Männer - am Pannenstreifen mitten im Nirgendwo. Wir sind froh, dass wir vor Abfahrt noch eine Toilette erwischt haben. Wir hören den Bus fast pausenlos Hupen, um sich einen Weg durch die vollen Straßen zu bahnen. Immer eine lustige Melodie - allerdings sehr laut. Ein neben uns fahrender LKW hupt dann auch brav zurück. Jenny entdeckt eine Art Klaviertastatur mit dem der Fahrer seine Melodie hupt - soll ja nicht eintönig werden. Nach viereinhalb Stunden Busfahrt - der Busfahrer hält sein online gemachtes Versprechen, dass er der Schnellste ist - landen wir in Jaisalmer. Vom Bahnhof aus machen wir uns zu Fuß auf den Weg zu unserer Unterkunft. Dort angekommen heißt es nur noch Zimmer, Essen, Dusche, Bett.
Am nächsten Tag machen wir uns auf den Weg auf das Jaisalmer Fort. Das Fort ist eine von wenigen immer noch dauerhaft bewohnten Burgen, ähnlich wie Carcassonne bei uns in Frankreich. Ein Restaurantbesitzer erzählt uns, dass immer noch über 5000 Menschen in der Burg leben. Wir schlendern eine Weile durch die netten alten Gassen der Burg, bis uns dann doch die Mittagshitze der Wüste zu schaffen macht. Also zurück ins Hostel und auf die Dachterrasse zum Essen.
Am Abend werden wir von lauter Musik und Bass fast aus unserem Bett geworfen. Als wir fragen, wie lange die Fete nebenan dauert, heißt es nur: „Das ist keine Feier, das ist eine Hochzeit“. Na gut dann eben Hochzeit - geschlafen wird trotzdem kaum diese Nacht. Bis um zwei Uhr dröhnt die Musik und gerade wenn es leise zu werden droht starten die Straßenhunde ihre Revierkämpfe. Pünktlich um 6 Uhr morgens geht dann wieder der Indische Alltag los. Also wird wieder laut gehupt und diskutiert, Musik gehört und gehämmert. Von Schlaf halten die hier offenbar nicht viel…
Gestern Abend haben wir uns kurzfristig entschieden eine Wüstensafari zu machen und vom Hostel aus eine Tour gebucht. Wir haben uns schon lange versucht, über solche Wüstentouren zu informieren, da diese gerade in Jaisalmer die Hauptattraktion sein sollen. Quasi alle diese Touren beinhalten auch einen Kamelritt in der Wüste und gerade bei diesem wollten wir eigentlich sichergehen, dass es den Tieren dort auch gut geht. Leider können wir vorab nicht herausfinden, wie die Bedingungen dort sind, daher versuchen wir unser Glück.
Am Nachmittag geht es also los mit dem Jeep - 60 Kilometer in die Wüste. Dort werden wir zunächst in einem der unzähligen Wüstenresorts zu einem Erfrischungs-Chai gebracht. Danach geht es auch schon los. Wir werden von erwachsenen Männern zu unseren Kamelen gebracht. Zunächst sieht alles ganz gut aus und wir - und einige weitere Touristen - werden jeder einzeln auf ein Kamel gesetzt. Als wir losreiten, können wir plötzlich keinen einzigen Erwachsenen mehr sehen, nur noch sehr junge Kinder - die sogenannten Camel-Boys, allesamt 10 Jahre alt und jünger. Einer der Kamel-Jungs erzählt uns, während er unsere Kamele auf die Dünen zieht, dass er morgens 5 Kilometer in die Schule geht um Englisch zu lernen. Danach kommt er hierher, um zu arbeiten.
Das Englisch braucht er quasi nur für die Arbeit. Am Abend, in der Dunkelheit, geht er wieder 5 Kilometer zu Fuß nach Hause. Während er so erzählt, schlägt er Patis Kamel mit einem Stock am Hinterlauf, damit es schneller geht. Wir fühlen uns miserabel. Zum einen unterstützen wir in diesem moment klar Kinderarbeit und dann werden diese wunderschönen Tiere auch noch geschlagen - sie haben bereits große Narben an den Beinen.
Trotzdem versuchen wir vorerst, das Beste daraus zu machen und nach einer Stunde ist der verrückte Ritt dann auch wieder vorbei. Mit gemischten Gefühlen bekommen wir danach noch eine traditionelle Rajasthani Musik- und Tanzeinlage vorgeführt. Wir merken heute klar, dass wir mit dieser Tour das mit Abstand touristischste unserer Weltreise erlebt haben.
Danach gibt es endlich Essen - immerhin hat uns das sehr überzeugt. Später bringt uns ein Auto zurück in die Sanddünen. Dort werden wir heute schlafen. Auf diesen Augenblick haben wir uns am meisten gefreut. Für uns werden zwei Feldbetten zusammengestellt und mit Decken und Polster ausgestattet. Ein Wahnsinns-Ort, um die Nacht zu verbringen. Zusätzlich ist Vollmond und die Sanddünen sind geradezu weiß beleuchtet. Leider können wir deswegen keine Sterne sehen - was diese Nacht aber nicht weniger atemberaubend macht.
Am nächsten Morgen geht es nach einem sehr touristischen Frühstück - ein paar Scheiben Toast, so etwas wie Marmelade und Bananen - wieder zurück ins Hostel, wo wir einen gemütlichen Nachmittag und die Zeit bis zu unserem Zug verbringen.
Am Nachmittag lässt uns irgendwie der Gedanke der Kamel-Jungen nicht in Ruhe, gerade nach dem was auch Sanju erzählt hat. Immer wieder ist uns während dieser Reise aufgefallen, dass Kinder statt ihren Vätern in Geschäften stehen oder irgendetwas anpreisen. Und immer wieder ist uns auch aufgefallen, dass gerade das oft Touristen dazu bringt, in diese Geschäfte zu gehen - teils weil es als süß empfunden wird und teils weil Männer hier oft sehr aufdringlich verkaufen wollen. Es ist unglaublich surreal, dass Kinderarbeit in unserer westlichen Welt so sehr verpönt ist - und das absolut zurecht - aber zugleich hier toleriert und leider oft sogar gefördert wird. Für uns war das auf alle Fälle die letzte Kamelsafari, die wir in unserem Leben machen wollen und auch Kinder wollen wir wirklich nicht beim Arbeiten unterstützen.
Später geht es heute Nacht schon wieder weiter. Wir fahren mit dem Nachtzug nach Bikaner.
Bikaner
Überpünktlich kommen wir in Bikaner um 6 Uhr morgens am Bahnhof an. Zum Glück hat unsere Unterkunft eine 24 Stunden Rezeption - was in Indien bedeutet: Der Besitzer schläft hinter der Rezeption und du weckst ihn bei Ankunft. Wir bekommen sofort ein Zimmer und legen uns erschöpft von den letzten Nächten noch etwas ins Bett. Wir sind schließlich seit der Hochzeit immer noch zu keiner wirklich ruhigen Nacht gekommen.
Nach dem späten Frühstück lassen wir uns vom Hotel aus zum Karni Mata Tempel, dem Rattentempel, bringen. Dieser liegt ungefähr 30 Kilometer stadtauswärts. Ein Verwandter des Hotelbesitzers nutzt die Gelegenheit, dass wir dorthin fahren und fährt mit. Er meint, er hat geschäftlich in der Gegend zu tun - für ihn also gratis Taxi.
Wir haben so einige Horrorgeschichten über den Rattentempel gehört, wollen uns aber möglichst unvoreingenommen selbst ein Bild davon machen. Beim Tempel angekommen ziehen wir wie üblich unsere Schuhe aus, bekommen allerdings dann gleich Plastiküberzieher für unsere Füße. Glücklicherweise können wir unserem Begleiter, der „geschäftlich“ wohl doch nichts zu tun hat, außer eventuell für uns den Guide zu spielen und mit uns Geschäfte zu machen, am Eingang des Tempels klar machen, dass wir keinen Führer brauchen. So schaffen wir es also, alleine den Tempel zu besuchen.
Im Tempel leben tatsächlich unglaublich viele Ratten, allerdings sind diese viel kleiner als angenommen. Außerdem ist der Boden des Tempels relativ sauber. Die Plastiküberzieher für unsere Füße sind eher sinnlos. Die Ratten essen auch kaum Müll, sondern sehr viele Maiskörner und Kichererbsen, die die Gläubigen hier spenden. Alles in allem geht es den Tieren sehr gut.
Nach knapp einer Stunde haben wir dann alles Sehenswerte gesehen und machen uns wieder auf den Weg zum TukTuk. Natürlich empfängt uns unser indischer Wegbegleiter gleich am Ausgang, und natürlich fährt dieser auch wieder mit zurück. War wohl nichts mit seinen „Geschäften“. Auf halbem Rückweg fängt er an, hektisch zu telefonieren und unser TukTuk-Fahrer beschleunigt immer weiter. Wir wundern uns schon über die viel zu schnelle und holprige Fahrt, als er sich dann doch noch umdreht und uns beichtet, dass er seine Gäste (er hat wohl auch ein Hotel) irgendwo abholen muss.
Wir fahren also im Maximaltempo Slalom zwischen Mopeds, Autos, Kühen, Kamelen, Menschen und anderen TukTuks. Und als der Verkehr zunimmt, weicht unser Fahrer auf Seitengassen aus - was die Fahrt nur noch holpriger macht. Wir können uns kaum festhalten. Nach knapp 20 Minuten Rally-Fahrt kommen wir bei einem Auto mit einem gut gelaunten französischen Ehepaar an. Wir sind fix und fertig.
Die Franzosen rauchen erstmal fertig. Dann quetschen wir uns zu sechst ins viel zu kleine TukTuk. Das war dann zugegebenermaßen tatsächlich wieder etwas lustig.
Als wir dann im Hotel ankommen steigen wir völlig erledigt aus unserem TukTuk aus. Pati hat nur noch ein freches Kommentar für den Hotelbesitzer übrig. Am Nachmittag machen wir uns zu Fuß noch auf den Weg durch die Altstadt, um uns - wie könnte es auch anders sein - die Burg anzusehen und uns Proviant für die morgige Zugfahrt zu kaufen. Alles erinnert uns ein wenig an Agra letztes Jahr. Das war auch nicht so ganz unsere Stadt. Wir sind froh, dass wir früh am Morgen Bikaner wieder verlassen und zurück nach Jaipur fahren.
Am nächsten Morgen wollen wir uns um 6:45 Uhr zu Fuß auf den Weg zum Bahnhof machen, denn alle sagen uns, dass uns so früh niemand fahren kann und wenn, dann nur für den doppelten Preis. Doch vor der Haustüre erwartet uns ein TukTuk. Es ist der Fahrer von gestern und er hält uns schon die Türe auf. Offenbar hat der Hotelbesitzer vom Vortag Patis Kommentar, uns das morgige TukTuk gratis zu organisieren, ernst genommen. Wir bezahlen den Fahrer dann aber trotzdem - nur nicht den frühmorgendlichen double price - schließlich kann der ja nichts dafür, und wer weiß ob dieser sonst bezahlt würde.
Im Zug sind wir dann nur glücklich, Bikaner hinter uns zu lassen. Wir beziehen unsere Betten und legen uns noch mal hin - es ist schließlich noch früh und wir haben wieder einige Stunden Zugfahrt vor uns.
Zurück in Jaipur, der Pink City
Unsere letzten Tage verbringen wir in einem Hostel in Jaipur. Wir genießen es richtig nichts Neues zu sehen. Wir essen meist in einem Restaurant, das wir noch vom letzten Jahr kennen und gehen sogar mal zu McDonalds. An einem Nachmittag wollen wir zu Decathlon, um uns für unser nächstes Abenteuer einzukleiden.
Als wir uns ein TukTuk über die Plattform Uber bestellen, um in die untouristische Gegend Jaipurs zu Decathlon zu fahren, finden wir unseren ersten Uber-Fahrer 20 Meter neben uns telefonierend im TukTuk. Der motzt uns allerdings nur auf Hindi an und cancelled unsere Fahrt. Der nächste Uberfahrer kommt an, fährt schon an den Gehsteigrand und gerade als wir einsteigen wollen gibt er Gas und rast davon. Wir sind verwirrt. Wahrscheinlich hat er im letzten Augenblick gesehen, dass wir ein Stück außerhalb des Stadtzentrums wollen und hatte darauf keine Lust. Beim dritten Anlauf nehmen wir uns fest vor, sofort ins TukTuk hineinzuspringen, bevor der Fahrer es sich anders überlegen kann. Zum Glück klappt dieser Versuch und wir kommen doch noch zu unserem kleinem Einkaufstrip.
An unserem letzten Tag fahren wir wieder mit dem Zug zurück nach Neu Delhi. Unsere Rajasthan-Runde war ein voller Erfolg und wir konnten wieder sehr viel für uns mitnehmen und neues lernen. Von Delhi aus fliegen wir ins als nächstes ins Himalaya-Gebirge nach Nepal.